November. Ewigkeitssonntag. Zeit, an die zu denken, die schon vorgegangen sind. Onkel. Tante G. Oma. Opa. Tante C. Omi. Opapa. Großvater. Großmutter. Auch: Lischen und Nehra und Fine, Rocky und Josi und Gina und Chili und all die anderen tierischen Begleiter auf dem Lebensweg. Sie alle fehlen, manchmal oder dauernd. Und trotzdem schwingt neben der Melancholie und der Trauer ein Erinnerungsglück mit.
Onkel, der mir, als er nach seinem Herzinfarkt schon auf der Trage der Sanitäter lag, noch Anweisung gab, ihm sein Portemonnaie zu holen und mir, der kleinen Sechsjährigen, noch einen 20-DM-Schein in die Hand drückte. Es ist die letzte Erinnerung, die ich an ihn habe – die Großzügigkeit eines Mannes, der selbst nie richtig viel hatte, aber es uns nie an etwas fehlen ließ.
Tante C., bei der wir so viele Kindheitssommer verbrachten. Sie lehrte mich Rummikub und Rommé und Halma und die außerordentliche Fähigkeit, nicht zu verbittern, wenn die körperliche Gesundheit und Mobilität immer weiter nachlässt.
Oma, die es nie leicht hatte in ihrem Leben, wie wenig, das habe ich erst nach ihrem Tod begriffen. Und die dennoch immer da war für uns, die wusste, was uns interessiert und von ihrem äußerst knapp bemessenen Haushaltsbudget noch Euros abknapste, um allen Enkeln Geburtstagsgeschenke zu machen, die wirklich zu uns passten. Das Buch über Briefmarkensammler, mein Thema, als ich 12 war, steht noch immer in meinem Regal, obwohl die Philatelie nun wirklich nicht mehr mein Ding ist – aber es ist das letzte Geschenk von Oma gewesen.
Omi, der ich so viel verdanke. Meine Liebe zu Kreuzworträtseln und Kartoffelpuffern, Pragmatismus und Bodenständigkeit und die unerschütterliche Gewissheit, dass es da draußen jemanden gibt, der zu dir hält, egal was du ausgefressen hast. Unterstützung und Interesse und ein gut gefülltes Süßigkeitenregal, schon in Greifhöhe, als ich noch ein kleiner Knirps war. Geerbt habe ich von ihr die Linkshändigkeit, das „schmerzhafte Madonna“-Gesicht, wenn ich mit der Gesamtsituation arg unzufrieden bin und ein kleines Lippenstiftetui, das in meinem Schmuckregal liegt und mich fast täglich erinnert an gute 25 Jahre.
Großmutter, die mich so herzlich in die Familie aufnahm und in ihr Herz schloss. Die so gerne auf unserer Hochzeit getanzt hätte, das sagte sie immer, allein: die Füße hätten nicht mehr mitgemacht. So vieles hat sie erlebt, Umbrüche und Krisen und Krankheit und ist dennoch so stark geblieben.
Lisa, meine Kleine, das verwöhnte scheue Kätzchen, das sich von mir zähmen ließ und mir seitdem nicht mehr von der Seite wich. Die Charakterkatze, eigenwillig im Äußeren und im Verhalten, aber so loyal, wie niemand es von einer Katze vermuten würde. Sie wartete auf mich, bevor sie starb.
Nehra, die Hündin meines Herzens, auch sie ein elegantes und scheues Tier, das sich seine Menschen sorgfältig aussuchte. Ich bin froh, dazugehört zu haben.
Manche Erinnerungen schmerzen. Aber die meisten sind schön, schön geworden vielleicht oder schon immer gewesen. Im November kommen sie besonders oft zu mir und ich bade darin. Und dann steige ich wieder heraus in meine Gegenwart. Irgendwann, ihr Lieben, spüren wir uns wieder.